Ist das Internet kaputt? Ein aktuelles Gerichtsurteil verschärft die Haftung für Urheberrechtsverletzungen auf verlinkten Webseiten. Was bedeutet das fürs Social Media Marketing?
Die Verlinkung von Web-Inhalten ist ein elementarer Bestandteil von Social Media. So geht es unter anderem auch in meinem Video-Kurs “Socialmedia Doktors Content Pillen” um das Aufspüren und Verlinken von hochwertigen Inhalten, die für die jeweiligen Zielgruppen relevant sind.
Nun sorgt ein aktuelles Urteil zur Linkhaftung für Angst und Schrecken im deutschen Internet. Es ist die Rede davon, dass jetzt das Internet kaputt sei oder wir uns wieder ins Web 1.0 zurück katapultiert haben.
Daher fühle ich mich besonders für meine Kurs-Teilnehmer dazu berufen, zu diesem Fall Stellung zu beziehen und teile diese gern auch öffentlich mit allen anderen hier in diesem Artikel.
Was ist passiert?
Ein Fotograf entdeckte sein Bild auf einer Webseite, die keine Lizenz dafür hatte. Außerdem wurde das Bild mit nachträglich hinzugefügten UFOs “entstellt”. Darin liegt aber nicht die Brisanz des Falles.
Vielmehr hat ein Dritter auf die Webseite verlinkt, die das Foto veröffentlicht hatte.
Das Landgericht Hamburg hat nun einem Antrag auf einstweilige Verfügung und Unterlassung gegen den Setzer des Links stattgegeben. Es beruft sich dabei auf ein ähnliches Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom Sommer dieses Jahres.
Den Fall und den Beschluss des Landgerichts vom 18.11.2016 haben die Antragsteller auf ihrer Webseite veröffentlicht.
Was ist die Konsequenz?
Bisher galt im Sinne der Störerhaftung der Grundsatz, dass man zunächst über die Rechtswidrigkeit eines Inhaltes informiert werden muss und den Inhalt dann einfach löscht. Dies gilt fortan nur noch für private Internet-Nutzer.
Wer nun gewerblich bzw. mit Gewinnerzielungsabsicht Links auf Webseiten Dritter setzen möchte, muss vorher die entsprechende Seite auf mögliche rechtliche Verstöße überprüfen. Das gilt als Ableitung aus dem Urteil am Ende auch für das Social Media Marketing. Wer die zu verlinkenden Inhalte nicht prüft, setzt sich einem erhöhten rechtlichen Risiko aus.
Im Zweifelsfalle haben wohl so gut wie alle Leser meines Blogs eine Gewinnerzielungsabsicht, da mein Angebot ja auch an Unternehmen gerichtet ist, die Social Media nicht aus Langeweile betreiben.
Für die Meinungs- und Informationsfreiheit ist dies natürlich ein herber Schlag. Viele Links werden in Zukunft aus Angst und Selbstzensur nicht mehr gesetzt werden. Aber Jammern hilft ja auch nicht weiter. Wir müssen nun lernen, mit der neuen Situation umzugehen.
Musst Du ab jetzt auf das Setzen von Links verzichten?
Nein!
Wenn klar ersichtlich ist, dass die zu verlinkenden Inhalte vom Urheber selbst veröffentlicht wurden, besteht insofern auch keine urheberrechtliche Gefahr.
Aber:
Wer einen Link im Internet teilt, kann sich grundsätzlich nicht von etwaigen Haftungsfragen befreien.
Wenn der Inhalt, den Du teilen willst, offensichtlich rechtswidrig ist, kannst Du größere Probleme bekommen, zum Beispiel auch bei rechtsradikalen Inhalten, Kinderpornos, Schmähkritik oder bestimmten Streaming- und Filesharing-Diensten.
Also lass es Im Zweifelsfall einfach sein!
Das ist nichts neues und hat auch nichts mit dem aktuellen Urteil zu tun. Was dies angeht, würde ich jetzt auch nicht gleich in Panik verfallen und alle Redaktionspläne über den Haufen werfen. Natürlich musst Du aber jetzt noch sorgfältiger als vorher prüfen, auf wen und was Du verlinkst.
Eine gesunde Skepsis hilft bei der Entscheidung, wenn die Bilder auf den entsprechenden Seiten keine Quellen- oder Lizenzangaben aufweisen. Entwickle auch ein Gefühl dafür, ob der Urheber eines Bildes mit der Veröffentlichung eine Verbreitung über seine Webseite gezielt anstrebt, wie zum Beispiel bei Infografiken.
Ich sehe auch weiterhin nur geringes Risiko, wenn Du Links zu großen Nachrichten-Portalen, Online-Magazinen und professionellen Bloggern setzt. Für diese ist die Verbreitung ihrer Artikel im größeren Stil über Social Media von großer Bedeutung. Sie haben von sich aus ein entsprechendes Interesse daran, urheberrechtlich sauber zu arbeiten. Außerdem glaube ich momentan noch nicht an eine Art Sammelklage mit der zig oder hunderte Linksetzer zu großen Seiten gleichzeitig belangt werden können sollen.
Wenn die entsprechende Seiten aktiv mit den Social Media Teilen-Button arbeiten, ist das quasi eine Einladung zum Verbreiten von Beiträgen. Ich habe für diese Aussage zwar keinen rechtlich gültigen Beleg, bin aber der Meinung, dass sich dadurch auch wieder das Risiko für Dich senkt. Über entsprechende Belege oder Gegenmeinungen freue ich mich in den Kommentaren zum Artikel.
Natürlich befreit Dich all dies nicht von Deinen neuen Prüfungspflichten. Es zeigt aber auch, dass Du trotzdem noch Links zu externen Webseiten im Rahmen des Social Media Marketings setzen kannst.
Sind nur Bilder vom Urteil betroffen?
Das aktuelle Urteil könnte nicht nur auf Bilder, sondern auch auf verlinkte Texte und andere Medien-Formate ausgelegt werden.
Wenn Dir die Inhalte hinter einem Link schon rechtlich suspekt erscheinen und Du trotzdem nicht auf ein entsprechendes Posting verzichten möchtest, mach Dir die Inhalte nicht offensichtlich zu eigen und sag im Posting-Text dazu:
“Das sehe ich genauso”
Sondern verpackt das Posting eher mit neutralem Text.
Vielleicht eher als Frage formuliert:
“Siehst Du das auch so?”
Ein alternativer Ansatz ist, nicht direkt zu verlinken. Du könntest in Deinem Posting-Text oder einem Video-Beitrag lediglich den Titel der Seite benennen und zu empfehlen, die Seite selber zu googlen.
Was ist mit den automatisch generierten Vorschau-Bildern?
Das Problem ist auch nicht neu. Ich möchtes es aber der Vollständigkeit halber an dieser Stelle auch mit erwähnen. Es geht um die Vorschau-Bilder, die die Social Media Netzwerke automatisch von der verlinkten Seite kopieren.
Der Punkt dabei ist, dass Du den Netzwerken, also Dritten, damit die Bildrechte zur Verbreitung überträgst. Es kann aber sein, dass die ursprüngliche Grafik nur für den Einsatz auf der entsprechenden Webseite lizensiert ist und nicht für mehr.
Es gab tatsächlich schon Fälle, wo deswegen abgemahnt wurde, auch wenn es das Vorschau-Bild nur sehr klein dargestellt wurde.
Bitte achte daher einmal mehr darauf, dass die Bilder auch tatsächlich geteilt werden dürfen.
Im Zweifelsfall kannst Du immer auch ein eigenes Vorschau-Bild verwenden.
Irgendein Bild würde ich aber immer dazu bringen, sonst verschenkst Du sehr viel Potential für den Erfolg Deines Postings. Die Nutzer scrollen viel zu schnell über einen Beitrag im Newsfeed, der das Auge nicht mit visuellen Reizen stoppt.
Solltest Du den Betreiber der Webseite vorher fragen?
Brauchst Du jetzt zum Verlinken das Einverständnis der Seite, die den Inhalt öffentlich ins Netz gestellt hat?
Nein!
Wer nicht will, dass seine Inhalte im Internet gefunden und verbreitet werden, der soll sie nicht öffentlich ins Internet stellen!
Sollst Du den Betreiber der Webseite dazu auffordern, Dir schriftlich zu versichern, dass auf seiner Seite alles rechtens ist und Du ohne Abmahngefahr darauf verlinken kannst?
Sinnlos!
Diese Vorgehensweise wäre zwar bestimmt korrekt, ist aber absurd und nicht praktikabel. Die Antworten werden auch nicht zufriedenstellend ausfallen, da niemand eine 100%ige Garantie geben wird. Nicht einmal das LG Hamburg will die Rechtmäßigkeit seiner Online-Inhalte rechtsverbindlich erklären.
Persönlich würde ich die Entwicklung eines einheitlichen Siegels oder Codex begrüßen. An diesem könnten sich Betreiber von Webseiten beteiligen, um nach außen hin die Wahrung rechtlicher Standards nach bestem Wissen und Gewissen zu demonstrieren und entsprechendes Nachfragen und Prozedere abzukürzen. Ob so etwas vor Gericht Bestand haben würde, bliebe wohl auch fraglich. Die Idee stelle ich hier aber trotzdem einfach mal so in den (Web-)Raum.
Welche Folgen drohen?
Der Streitwert wurde im besagten Urteil auf 6.000€ festgesetzt. Also mit allem drum und dran entsteht durch eine Abmahnung wahrscheinlich auch ein finanzieller Schaden im 4-stelligen Bereich für Anwalts- und Gerichtskosten, sofern eine entsprechende einstweilige Verfügung nicht weiter angefochten und die eigene Schuld einfach so akzeptiert wird.
Leider ist dies anscheinend genauso beim Verfahren vor dem Landgericht Hamburg passiert. Nach Meinung von Rechtsanwalt Dr. Carsten Ulbricht wäre der Fall ansonsten anders ausgegangen. In seinem Artikel “Linkhaftung 2.0 – Erläuternde Hinweise zu der drohenden Paranoia um den Beschluss des LG Hamburg” beschreibt er zahlreiche Ungereimtheiten, die diesem Fall gar nicht die Eigenschaften einer rechtlichen Musterentscheidung einräumt. Ich empfehle die Lektüre des Artikels, um etwaige Panik-Mache durch die aktuelle Berichterstattung zu relativieren.
Fazit: Weitere Entwicklung ohne Paranoia beobachten
Das Risiko der Linkhaftung hat sich durch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes und des Landgerichts Hamburg definitiv verschärft. Es bleiben aber noch sehr viele Folge-Fragen offen, die zum aktuellen Zeitpunkt selbst von den Experten nicht vollumfänglich beantwortet werden können. Für abschließende Klarheit müssen wir wohl noch weitere Urteile abwarten und Links nun mit noch größerer Sorgfalt setzen. Auch bleibt die Hoffnung, dass der Gesetzgeber an dieser Stelle klärend einschreitet.
Es besteht aber auch kein Grund zur Paranoia und fortan völlig auf das Setzen von Links zu verzichten. Das Urteil rüttelt zwar an den Grundfesten des Internets und am Ende auch an der Informationsfreiheit, hat diese aber auch noch nicht völlig außer Kraft gesetzt.
Ich bin selber kein Rechtsanwalt und verarbeite in diesem Artikel lediglich mein Verständnis der Lage bezüglich der Auswirkungen des Urteils auf das Social Media Marketing. Die Lektüre ersetzt nicht den rechtlichen Rat eines designierten Spezialisten. Wer inhaltliche Fehler findet oder sinnvolle Ergänzungen beisteuern möchte, ist herzlich eingeladen, mich per Kommentar zum Artikel darauf aufmerksam zu machen.
Für ein weiterführendes Studium der Materie empfehle ich außerdem den Beitrag von Dr. Thomas Schwenke. In seinem Artikel bei allfacebook.de beantwortet er zahlreiche Fragen zum Fall und gibt wertvolle Praxis-Tipps aus Sicht eines Rechtsanwalts.
Klick hier, zur Medikation mit Socialmedia Doktors Content Pillen
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Sebastian Riehle
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Rei Baumeister says
Hallo Sebastian,
sehr hilfreicher Artikel! Vielen Dank dafür. 🙂
LG,
Rei
Sebastian Riehle says
Hallo Rei,
sehr gern.
Freut mich, dass ich helfen konnte 🙂
LG
Sebastian
Nadine says
Danke, dass noch jemand der Ansicht ist, dass wir jetzt nicht plötzlich Paranoia schieben sollten. Generell finde ich die Idee mit einem Badge oder ähnlichem (vl. Verband der rechtssicheren Webseiten o.ä.?) Sehr gut. Vielleicht könnte man hier etwas anstoßen.
Sebastian Riehle says
Vielen Dank für Deinen Kommentar, Nadine.
Die Initiative muss wohl aus der Blogosphäre selber kommen. Auf Unterstützung durch Politik und größere Medien-Häuser würde ich keine allzu großen Hoffnungen setzen…
Ich denke dabei an so etwas wie den Kodex der Reiseblogger: http://reiseblogger-kodex.com/
Also eine Art Selbstverpflichtung teilnehmender Blogger zur Wahrung von Urheber-Rechten.
Umzugsfirma Zürich says
Sehr gute Arbeit!
Erfolg für Ihren Blog