Warum klassische Werbung nervt und was Du dagegen tun kannst

Leidest Du unter der Werbeverdrossenheit Deiner Kunden? Entdecke erfolgreiche Therapie-Möglichkeiten, um trotzdem auf Deine Marke aufmerksam zu machen, Kunden zu überzeugen und an Dich zu binden.

Werbung ist omnipräsent. Ob Plakat, Werbeprospekt, TV- oder Radiowerbung – sie will Dich zum Kauf bewegen, wird aber immer mehr zu einem störenden Rauschen und somit kaum mehr wahrgenommen.

Auch online werden wir mit Werbung bombardiert. Programme wie AdBlock oder Adblock Plus zeigen, dass immer mehr das Bedürfnis entsteht, lästige Werbung auszublenden.

Das ist nicht weiter verwunderlich: Innerhalb einer einzigen Sekunde wird das Gehirn mit elf Millionen Bits an Information überflutet, während bestenfalls 50 Bits davon überhaupt bewusst verarbeitet werden können.

Es ist also verständlich, dass die Menschen immer unempfänglicher für die vielen Botschaften der Unternehmen werden. Von den Monologen der Marketing-Leute genervt, sehnen sie sich nach einem ehrlichen Dialog, denn:

Markets are conversations.
(Cluetrain Manifesto These 1)

Es scheint also eingetreten zu sein, was das Cluetrain Manifesto schon bei der Online-Veröffentlichung 1999 voraussagte:

We are immune to advertising. Just forget it.
(Cluetrain Manifesto These 74)

Werbung nervt! – Was nun?

Ein Ausweg oder zumindest ein sinnvoller Zusatz zum klassischen Marketing scheint das Social Media Marketing zu sein. Die akademische Beschäftigung mit dem Thema ist jedoch kaum vorhanden oder noch sehr unbefriedigend.

Social Media Marketing findet jedoch schon weitverbreitet statt und viele Firmen suchen Rat bei Consultants. Daher liegt es nahe, einen solchen Social Media Berater zu dem Wandel in der Kommunikation mit Kunden zu befragen.

Weil der Socialmedia Doktor Sebastian Riehle verinnerlicht hat, dass die Markenkommunikation in den sozialen Medien unbedingt an die Voraussetzungen des Mediums angepasst werden muss, habe ich ihn zu seinem Fachgebiet interviewt. Riehle hat seinen ganzen Firmenauftritt rund um die Allegorie des Socialmedia Doktors aufgebaut und zeigt dabei erfolgreich,

[…] dass sich selbst trockene Marketing-Inhalte auf eine unterhaltsame Art und Weise präsentieren lassen und damit sogar zum Geschäftsmodell werden können.

Mit seinem Edutainment-Ansatz möchte er als Vorbild vorangehen und Firmen zeigen, dass es beim Social Media Auftritt auf Lockerheit und Personalisierung ankommt. Riehle selbst spricht seine Kunden auf allen Kanälen ausschließlich mit „Du“ an. Er vermittelt damit eine Peer-Mentalität nach außen hin, eine lockere Kommunikation auf Augenhöhe.

Er erklärt mir, weshalb Firmen immer wieder an Consultants herantreten:

Es ist einfach so, dass sich viele Unternehmen im Umgang mit Social Media noch immer zu unsicher fühlen.

Doch woher kommt das? Ist Social Media mit all seinen Möglichkeiten in der Tat so neu, dass man es nicht bewältigen könnte? Ist die Angst vor dem markenzerstörenden Shitstorm berechtigt? Vor dem „Troll“, der nicht aufhört zu meckern und den ganzen Firmenauftritt vernichtet? Vor den Kunden im Allgemeinen und ihrer neu- oder wiedergewonnenen Macht, die Orator-Rolle, also die Rolle des strategisch Kommunizierenden, selbst zu ergreifen?

Im Bereich des Social Media Marketings ist vieles passiert, was bereits vor 17 Jahren im Cluetrain Manifesto vorausgesagt wurde. Die Autoren Rick Levine, Christopher Locke, Doc Searls und David Weinberger stellten darin 95 Thesen zur Beziehung zwischen Unternehmen und Kunden im Internetzeitalter auf. Im Folgenden soll deshalb immer darauf Bezug genommen werden, da die Autoren schon damals erkannt haben, dass im Marketing gern etwas vergessen wird: Das Reden miteinander.

Social Media Marketing – Was ist das überhaupt?

Das Social Media Marketing stellt eine digitale, kommunikative Strategie dar, mit der viele Menschen extrem schnell durch Mundpropaganda, dem sogenannten “Word-of-Mouth“, zu erreichen sind. Doch dabei geht es nicht mehr um eine unidirektionale Kommunikation wie im klassischen Marketing, sondern vielmehr um ein Gespräch, um einen authentischen Dialog mit den Kunden.

Die Aufmerksamkeit und Reichweite ist bei Facebook enorm. 21 Millionen Menschen nutzen Facebook mehrmals täglich und verhältnismäßig lange. Aber man muss verstehen, dass es nicht um plumpe Werbung geht, sondern darum, Beziehungen und Vertrauen aufzubauen, Stammkunden weiterhin zu binden, ohne sofort etwas verkaufen zu wollen.

Die Adressaten teilen oder liken Beiträge von Unternehmen, treten selbst als Oratoren auf und kommen mit den Unternehmen als auch mit anderen Kunden in direkten Kontakt. Das virale Marketing als Teil des Social Media Marketings zeigt bereits, dass in kurzer Zeit viele Menschen mit einer Botschaft „infiziert“ werden können, wie die Metapher „viral“ verdeutlichen soll.

Aber auch, wenn die Botschaft nicht „viral geht“, ist die Reichweite relativ groß. In erster Instanz geht das Marketing natürlich noch immer von den Firmen selbst aus. Aber auch die Konsumenten können zu sogenannten Markenbotschaftern werden und Tipps auf dem Social Media Auftritt der jeweiligen Marke abgeben, Rezensionen schreiben, bewerten, kritisieren, kurz: kommunizieren.

Wichtig zu wissen ist, dass Social Media zwar an sich ein schnelles Medium ist, die Marketing-Ergebnisse aber Zeit brauchen:

Social Media ist kein kurzfristiger Sprint, vielmehr ein langfristiger Marathon. Es ist auch kein Kanal zum Abverkauf, bei dem man auf den schnellen Euro schauen sollte.

Als Nachteil wird oft auch angesehen, dass die Werbung über Facebook nicht unbedingt kostenlos ist. Größere, gezielte Reichweite muss meist bezahlt werden. „Für mich stellt das aber keinen Nachteil dar“, so Riehle, „Werbung in der Tageszeitung ist ja schließlich auch nicht kostenlos.“

Der Prosumer – Der neue alte Konsument

Bei der Kommunikation mit anderen Konsumenten handelt es sich um das sogenannte “Peer-to-Peer Marketing“, um Markenkommunikation zwischen Ebenbürtigen.

Der Konsument wird dabei zum Prosumer, der nicht nur konsumiert, sondern eine Plattform hat, auf der er auch selbst produzieren und seine innere Überzeugung aussprechen kann. Womöglich überzeugt er dabei andere bzw. entfacht einen Wettstreit um differierende Meinungen.

Durch das Internet hat in der Tat eine Machtverschiebung stattgefunden, die im Cluetrain Manifesto durch folgende Aussage festgehalten wurde:

We are not seats or eyeballs or end users or consumers. We are human beings – and our reach exceeds your grasp. Deal with it.
(Cluetrain Manifesto Einleitungstext)

Es handelt sich also um ein neues altes Bild des Konsumenten: Als die Menschen ihre Produkte noch im Laden um die Ecke kauften, wurden sie noch als Individuen angesehen. Später wurden die Menschen zum “Consumer“, der anfangs noch Werbebotschaften empfing, mittlerweile aber nur noch adressiert und in Schubladen gepackt wird. Nun aber hat der Konsument die Chance, sich wirtschaftlich gesehen wieder zum Individuum zu entwickeln, zum Prosumer, mit eigenem Anliegen und eigener Stimme.

Genau damit müssen die Unternehmen nun klarkommen. Vielleicht ist es genau diese Macht der Prosumer, die die Unternehmen verunsichert. Dabei werden die vielen Vorteile des Social Media Marketings oftmals übersehen.

Allein schon aufgrund der immensen Reichweite von sozialen Netzwerken und den Möglichkeiten, die sie auch kleinen Unternehmen bieten, sollte dem Social Media Marketing ein großer Stellenwert eingeräumt werden.
Durch die Teilnahme der Prosumer bekommen Unternehmen des Weiteren einen kleinen Einblick in die Bedürfnisse und Interessen ihrer Adressaten. Sie erhalten direktes Feedback, wie die Botschaften und Inhalte bei den Kunden angekommen sind. Im Sinne des antizipatorischen Adressatenkalküls können sie in Zukunft besser abschätzen, in welche Richtung sie kommunikativ agieren sollten.

Social Media ist also eine revolutionäre Marketing-Medikation nach Maß mit enormem Potential.

Social Media als Marketing-Homöopathie

Der neue Konsument, der Prosumer, verlangt nach mehr Standardkommunikation, einer verständlichen, ehrlichen und faktenbezogenen Kommunikation. Er hat genug von der artifiziellen Kommunikation der klassischen Werbung, also der Sonderkommunikation. Diese klingt oftmals künstlich und zielt weniger auf relevante Fakten ab.

Aber ist es noch Werbung oder schon Manipulation, wenn Sonderkommunikation als Standardkommunikation ausgegeben wird? Denn die Intention hinter all den lustigen Grafiken ist noch immer, Kunden zu binden und zu überzeugen. Aber wird das Social Media Marketing überhaupt als Standardkommunikation ausgegeben? Dies bedürfe einer tiefergehenden Untersuchung.

Um bei der Allegorie des Socialmedia Doktors zu bleiben: Die klassische Marketing-Medizin, die Kunden zum Kauf animieren sollte, wurde den Patienten zu bitter. Deswegen versuchen Unternehmen es über Social Media Homöopathie: Werbung wird zielgruppengerecht verpackt und in kleinen Dosen verabreicht. Kunden-Service in Form von Problemlösungsdialogen runden das Marken-Bild ab.

Welche Ziele kannst Du mithilfe der Sozialen Medien erreichen?

Laut Riehle kann durch Social Media Marketing zum Beispiel bewirkt werden, dass:

Er spricht sogar davon, dass Kunden über Social Media „erzogen“ werden können, indem gezeigt wird, wie sie mit den Produkten am besten umgehen sollten.

Es können auch Marktforschung betrieben und Mitarbeiter gewonnen sowie die Kooperation mit Partnern verbessert werden. Natürlich kann es auch zu mehr Verkäufen kommen, was aber nicht im Vordergrund stehen sollte.

Fazit: Social Media – Deine Chance für Aufmerksamkeit und Kommunikation auf Augenhöhe

Die „Immunität“ gegenüber der klassischen Werbung verlangt nach neuen Wegen wie Social Media Marketing, wobei die Inhalte an das Medium angepasst werden müssen.

Alles in allem ist die Furcht vor Social Media Marketing in den meisten Fällen unbegründet. Wer locker und mutig, aber deshalb nicht weniger strategisch an die sozialen Medien herantritt und den Prosumern eine Plattform zum Austausch anbietet, wird sie als große Chance für die eigene Marke wahrnehmen.

Prosumer, die eine Mischung aus Empfänger und partizipierendem Orator geworden sind, äußern sich laut Riehle zumeist positiv über „ihre“ Marke, weil sie sich über diese darstellen wollen.

Unternehmen als Oratoren haben auf diesem Wege stets die Möglichkeit, ungeahnte Entwicklungen in etwas Positives umzukehren und sie sogar zum Vorteil der Marke zu nutzen.

Social Media Marketing bedeutet einen Wandel von „friss oder stirb“ hin zu „ ich gebe meinen Kunden die Möglichkeit, mit mir auf Augenhöhe zu kommunizieren.“ Es geht nun eher um die Fragen: Worauf habt ihr Appetit? Wie dürfen wir es servieren? Können wir vielleicht irgendetwas daran verbessern?

Damit wird im Marketing die Möglichkeit zur Gegenrede geboten. Wer diese Konversation zulässt, kann auch seine Ziele mit Social Media erreichen.

TEXTERIN: JULIA SIEDLER

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Julia Siedler ist Masterstudierende der Allgemeinen Rhetorik an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Sie interviewte Socialmedia Doktor zur "Rhetorik von Marken" und veröffentlicht ihren Essay hier in drei Teilen.