Der Online-Kleidungsversandhandel ASOS zeigt auf Facebook und Instagram, wie Social Media Marketing erfolgreich betrieben und eine große Community gebildet werden kann. Entdecke an diesem Beispiel einfache Kniffe, die auch Deine Marke interessant machen.
In den ersten beiden Artikeln dieser Serie habe ich das Social Media Marketing in erster Linie theoretisch betrachtet.
Teil 1: Warum klassische Werbung nervt und was Du dagegen tun kannst
Teil 2: Wie aus klassischer Werbung gutes Facebook Marketing wird
Im dritten und letzten Beitrag soll nun ein Beispiel ganz praktisch beleuchtet werden: Die Marke ASOS.
Diese hat die vorangegangenen Punkte sehr gut verinnerlicht. ASOS ist ein Online-Kleidungsversandhandel. Das britische Unternehmen bezeichnet sich selbst als “a global fashion destination for 20-somethings“.
Diese Zielgruppe spricht ASOS auch treffsicher über Facebook an, wo sie, wie auf ihrer Website, ”a wide variety of fashion-related content” anbieten, “making [it; J.S.] the hub of a thriving fashion community.“
Wie gut ASOS dieses Ziel vor allem über Facebook und Instagram erreicht hat, zeigen die Interaktionen auf den entsprechenden Seiten.
Auf der Facebook-Seite von ASOS Deutschland ist eine starke Community entstanden. Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand: 27.09.2016) hat die Seite 4.375.902 Fans, Tendenz steigend.
Die Marke postet sehr viel Relatable Content und kann sich damit bei seiner jungen und stark vernetzten Zielgruppe voll ausleben.
Aus produktbezogener Werbung wird adressatenorientiertes Marketing
Emoji-DNA-Stränge haben mit ASOS selbst oder der Kleidung an sich nichts zu tun. Die DNA, versehen mit dem Hashtag „#Wochenende“, unterhält aber die jungen Prosumer, die sogleich Freunde verlinken, die das auch sehen sollten. Hier greift, was Sebastian Riehle als das „private Facebook-Umfeld“ bezeichnet:
„Auf Facebook interessieren sich die Menschen nicht für die Marke. Sie sind dort in ihrem digitalen privaten Umfeld zwischen Katzen-, Urlaubs-, Essensfotos und persönlichen Interessen. Dann kommt ein Unternehmen und will sagen: ‚Kauf mein Produkt!‘ Aber das funktioniert so nicht!“
Das, was innerhalb der sozialen Medien als angemessen angesehen wird, sollte nicht durch das klassische Marketing-Gebrüll verletzt werden. Also ist es strategisch gesehen klüger, wenn Du auf Inhalte setzt, mit denen sich die Kunden identifizieren können und die dann auch geliked werden.
Das Neuromarketing will bewiesen haben, dass jeder einzelne Kontaktpunkt mit einer Marke, auch Kontakte, die nicht unter den Begriff „Werbung“ fallen, in ein und demselben Topf landen – dem „Markennetzwerk“ (Held, Dirk und Christian Scheier: Wie Werbung wirkt: Erkenntnisse des Neuromarketing. München: Haufe, 2006. S. 12.).
Bei ASOS verleitet zum Beispiel das immerwährende Bedürfnis nach Schlaf und Pizza zum „liken“. Das wirkt bei den Prosumern sehr sympathisch und macht die Marke zu einem greifbareren Peer.
Viele Prosumer verlinken dazu noch Freunde, die so ebenfalls auf die Marke aufmerksam gemacht werden – oftmals wird sogar explizit zum Verlinken animiert. So kann im Endeffekt das gleiche Ergebnis erzielt werden wie mit „klassischer“ Werbung, nur eben „durch die Hintertür“.
Auch beim Relatable Content kann strategisch gearbeitet werden. Wichtig ist hierbei aber nicht nur der Inhalt, sondern auch die Häufigkeit: ASOS macht keine Pause und postet auf Facebook mindestens einmal täglich. Auch am Wochenende muss die Marke im Newsfeed der Prosumer auftauchen.
ASOS spricht die Zielgruppe dabei treffgenau an: „Es ist aber auch nicht leicht, Studium und Netflix unter einen Hut zu bekommen!“ Die “twenty-somethings“ werden direkt strategisch adressiert. Eine einfache Grafik lässt die Marke sympathisch wirken und erweckt Vertrauen, den Menschen bei ASOS geht es doch wie uns allen, denkt man. Lieber ein wenig prokrastinieren und ablenken lassen – dann hat man auch mehr Zeit um einzukaufen.
Während der User unterhalten wird, produziert die Marke ganz nebenbei ein bestimmtes Image: „Und dann ist da auch noch dieser Studentenrabatt bei ASOS… #vollderstress“, wobei auch die Sprache an die Zielgruppe angepasst wird.
Locker im Ton – stringent in der Strategie
ASOS’ Strategie geht auf:
Die Marke ermöglicht den Kunden über das Infotainment hinaus, sich selbst in einer bestimmten Art darzustellen, wie es allgemein in sozialen Medien gemacht wird. Und siehe da: Es funktioniert.
Im oberen Kommentar liest man über den „armen Postboten“, wenn es doch scheinbar mehr darum geht, wie viel dieser „jede Woche“ an die Kundin liefern muss. Im selben Zug werden weitere Personen verlinkt, was eine Win-Win-Situation für ASOS und den kommentierenden Prosumer darstellt.
Über die Marke wird weitgreifend gesprochen und der Prosumer selbst kann sein Image nach außen tragen. Die Rabattaktion tritt fast schon in den Hintergrund – aber eben nur fast. Auf diesem Wege verbreitet sich die Aktion rasend schnell und gut verpackt über digitale Mundpropaganda: Social Media Marketing par excellence.
LET’S TALK ABOUT – Marken- und Selbstimage
Wie erwähnt sollte beim Social Media Marketing nicht nur unterhalten, sondern auch Probleme gelöst werden. Dies kann auch bedeuten, dass die Kunden zum Beispiel eine Bomberjacke bei ASOS gekauft haben (oder noch kaufen wollen), aber nicht wissen, wie man sie ‚richtig‘ stylt. ASOS löst dieses Problem für die Kunden und gibt Informationen weiter, die möglicherweise gefehlt haben.
Oftmals postet ASOS auch sogenannte „Inspo“, damit die Fans für einen möglichen Einkauf inspiriert und über die neusten Mode-Styles informiert werden. Genauso zum Beispiel auch darüber, wer auf Instagram derzeit als ‚cool‘ gilt. Wenn diese „coolen Jungs“ natürlich Kleidung tragen, die sie bei ASOS bestellt haben, ist der Marketing-Kreislauf perfekt.
Wenn nicht, verlinkt ASOS meist direkt ähnliche Kleidungsstücke, die dort erworben werden können.
ASOS gelingt es so, die Prosumer zu lenken, ja, zu „erziehen“, wie Riehle sagt, und auch gewisse Dinge zu diktieren. “How to“-Artikel und Videos sagen: „Seht her, Leute! So macht ihr’s richtig!“
Marken müssen sich also nicht mehr auf die Presse verlassen und auf Trends schnell reagieren, sondern könnten diese sogar selbst setzen. So erhält zum Beispiel der Bomberjacken-Style das Prädikat „lässig“.
Auch hier findet ein Image-Transfer statt. Durch das Wissen darüber, was momentan als „lässig“ gilt, ist sowohl ASOS als auch der Prosumer selbst, der sich für das Produkt entscheidet (oder sich schon entschieden hat), irgendwie „lässig“.
Durch das Infotainment können Marken schnell und einfach an ihrem Markenimage feilen und den Prosumern zeitgleich die Möglichkeit bieten, das Markenimage auf sich selbst zu transferieren. Andererseits überträgt die Marke das Image von Bloggern und Instagrammern wieder auf das Markenimage. ASOS ist also von den Prosumern abhängig und die Prosumer wiederum von ASOS.
#ASSEENONME: Immersion durch Einbindung
Instagrammer können unter dem Hashtag “#asseenonme” Outfit-Fotos posten, von denen eine kleine Auswahl auf der ASOS Instagram- oder Facebookseite geteilt wird. Bei den sogenannten “COBRA’S“, also “consumers online brand related activities“, soll es um das Image und die Selbstdarstellung der Kunden gehen.
Die Kunden werden maximal eingebunden und ihr Image erhält einen Boost durch das Posting auf der offiziellen ASOS-Seite mit Verlinkung der betreffenden Person:
Der Hashtag “#asseenonme” leitet sich höchstwahrscheinlich aus dem ausgeschriebenen Namen der Marke ASOS ab – “as seen on screen“.
Hier ist eindeutig, was für den Prosumer “in it“ ist: Sie bekommen zurück, was sie für ASOS z.B. durch Verlinkungen leisten: Eine größere Reichweite. Hier werden dem Prosumer die bekannten “five minutes of fame“ geboten, auch, wenn die Likes nicht unbedingt durch die Decke gehen, so ist die Aufmerksamkeit der Zuhörer im Sinne des attentum parare doch gewährleistet.
Der Prosumer ist eben nicht nur auf dem Markt, um einzukaufen, sondern auch deshalb, weil er dabei gesehen werden will. Werden die ASOS-Produkte gut gestylt, wird das von der Community honoriert und das Ansehen der Person steigt. ASOS bietet den Prosumern eine Bühne.
Riehle beschreibt:
Die Menschen interessieren sich in den sozialen Medien nicht für das Angebot direkt, sondern vielmehr dafür, was sie selbst vom Angebot haben.
Die Prosumer reden also beim Word-of-Mouth Marketing nicht nur über die Marke an sich, sondern vor allem auch über ihr Leben mit der Marke, über den Lifestyle, den die Marke anpreist und den die Kunden somit auch für sich selbst beanspruchen können.
Man könnte es das Meta-Marketing nennen: Es geht nicht mehr nur um das Produkt an sich, so Riehle, sondern darum, wie sich das Produkt auf das Leben des Kunden auswirkt: „Das Produkt ist nur ein Mittel zum Zweck – das Ergebnis zählt – und das muss man verkaufen!“
Wenn es auf der Facebook-Seite von ASOS dann tatsächlich um die Produkte an sich geht, so sind die Bilder in erster Linie sehr ästhetisch. Es wirkt viel mehr, als würde man ein Online-Modemagazin durchblättern und nicht die Seite eines Kleidungsversandhandels. Die Ästhetik der Fotos und Grafiken sind wieder Teil des Infotainments.
Spannend ist, dass die Grenzen beim Social Media Marketing teils verwischt werden: Der Content, den ASOS postet, könnte auch genauso auf einem persönlichen Fashion-Blog gepostet werden. Oftmals sind die Fotografien ja auch Reblogs, wie bei #asseenonme.
Die Quelle verschwimmt nicht direkt. Es ist eindeutig, dass man sich noch auf der Seite der Marke befindet. ASOS kann also noch als Sender oder Orator ausgemacht werden. Der Inhalt jedoch wird oft übernommen und prägt das Marken-Bild mit. So wird die Kundschaft maximal eingebunden und damit zu einem Teil des Markenauftritts.
Aptumsverletzungen in den sozialen Medien
Leider kann außenstehend nicht nachverfolgt werden, wie stark ASOS einzelne Beiträge durch Zuzahlungen bewirbt, aber die Unterschiede der Like-Anzahlen bei verschiedenen Postings sind gravierend:
Wie die obigen Beiträge zeigen, kommt bei ASOS wohl vor allem die Unterhaltung gut an. Selbst Infotainment-Versuche (Beitrag #4) scheinen den Prosumern nicht allzu gut zuzusagen.
Reine Produktbewerbung (Beitrag #3) postet ASOS interessanterweise auch nicht nach Push-Manier in die Chronik – was vielleicht im Ansatz die verhältnismäßig sehr wenigen Likes erklärt – sondern nach dem Pull-Prinzip nur in die Fotogalerie auf Facebook. Entweder wird hier abgestraft, dass eher „klassische Werbung“ gemacht wird, oder die Fotos sind in der Galerie doch zu versteckt. Damit müsste sich näher auseinandergesetzt werden.
Es wirkt in den sozialen Medien stark, als würde die klassische Werbung in der Tat eine Aptumsverletzung darstellen und von den Adressaten übel genommen werden. Es ist also wichtig, das aptum im sozialen Medium nicht durch plumpe Push-Werbung zu verletzen und das Augenmerk auf das Soziale darin zu legen: Vertrauen aufzubauen und Beziehungen zu stärken.
Mea Culpa und die bestechende Einfachheit der Wertschätzung
„Wenn man die Kunden wertschätzt, kommt diese Wertschätzung meist auch zurück.“ Dazu gehört – übertrieben gesagt – auch, dass die Kunden nicht mehr von klassischer Werbung belästigt werden sollten.
Den Kunden sollte zugehört und etwas geboten werden. So wird auch bei ASOS auf Reklamationen oder wütende Kunden schnell und freundlich reagiert, wie man es sich im Social Medium wünscht.
Das mea culpa im sozialen Netzwerk hat eine große Sympathie-Wirkung, die nicht unterschätzt werden sollte. Damit alleine ist es aber nicht getan, es wird eine Sprache ohne große Ausschweifungen gelebt, die Unternehmen diskutieren nicht groß, sondern bemühen sich bestenfalls, einfach zu helfen.
Ein tiefergehender Blick auf die Facebook-Seite von ASOS zeigt jedoch, dass das Unternehmen wohl größere Probleme beim Versand der Waren hat. Es täte sich wahrscheinlich einen großen Gefallen, wenn es diese schnellstmöglich lösen würde, anstatt den Leuten nur zu antworten, sie sollten ihre Daten nochmals per Personal Message senden, damit ihnen umgehend geholfen würde.
Ab einer bestimmten Anzahl an Vorkommnissen helfen auch Beschwichtigungen nicht mehr weiter und oftmals erinnern die Antworten von Geschäftsseite aus dann leider doch wieder an Skript-Kommunikation und weniger an die ehrliche Kommunikation zwischen zwei Menschen.
Already, companies that speak in the language of the pitch, the dog-and-pony show, are no longer speaking to anyone.”
Cluetrain Manifesto These 16
Auch im Cluetrain Manifesto wurde schon die Artifizialität der klassischen Unternehmenskommunikation angeprangert. Die Kunden wollen keine übertriebene Show um das Produkt, sondern selbst Teil der Show sein, angehört und einbezogen werden. Sie wollen ehrliche Antworten auf ihre Fragen und Probleme, keine Standardantwort, die sie vertröstet, wenn es dann doch einmal ernst wird. Daran müssen Unternehmen noch immer arbeiten, wenn sie in den sozialen Medien erfolgreich bestehen wollen.
Fazit: Der Schlüssel zum Erfolg
ASOS versteht es, seine Kunden über Social Media einzubeziehen, zu unterhalten und treffgenau anzusprechen. Das Unternehmen erreicht durch das Word-of-Mouth Marketing extreme Reichweiten durch teils einfache Grafiken und schnell angefertigte Postings.
Die Einbindung der Prosumer durch COBRAs führt zu immersiven Erlebnissen und einer noch tieferen Kundenbindung. ASOS zeigt erfolgreich auf, wie simpel und locker Social Media Marketing sein kann und auch sein sollte.
Das Beispiel macht aber auch deutlich, dass trotz allem immer eine Analyse der Zielgruppe und eine Strategie vonnöten ist. Die große Community, die ASOS aufgebaut hat, beweist, dass es sich auf jeden Fall lohnt, Zeit in dieses für viele immer noch recht neue Medium zu investieren.
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