In Zeiten des Fachkräftemangels verspricht ein Engagement in Social Media Zugang zu mehr Bewerbungen, Azubis und qualifizierten Mitarbeitern. Wie das Social Recruiting am besten funktioniert, verraten hier die Experten.
Im Vorfeld der re:publica 2017 hatte ich die aktuellen Fragen und Probleme meiner Leser mit Social Media Marketing im Unternehmen gesammelt. Zu den drei am häufigsten genannten habe ich vor Ort sieben Profis für Social Media- und Content Marketing interviewt:
- Wie erreiche ich hohe Interaktionsraten über Social Media?
- Wie schaffe ich es, Email-Adressen über Social Media zu sammeln?
- Wie kann ich über Social Media neue Mitarbeiter akquirieren?
In diesem Beitrag geht es um Frage #3.
Um Bewerber, Azubis und Mitarbeiter über Social Media Recruiting zu gewinnen, ist es für Susanne Ullrich das allerwichtigste, ein guter Arbeitgeber zu sein:
Wenn man kein guter Arbeitgeber ist, braucht man es auch gar nicht über Social Media promoten. Das heißt, man sollte sehr viel Wert auf Firmen-Kultur legen, sodass es den Mitarbeitern gut geht. Dann verbreitet sich sehr viele von allein.”
Darüber hinaus gibt es diverse Maßnahmen zur Mitarbeitergewinnung über Social Media:
Social Media Recruiting Tipp #1 – Zeige, wie es sich im Unternehmen arbeitet
Nicole Simon regt dazu an, den Vorteil der heutigen Zeit für sich nutzen und potentiellen Mitarbeitern möglichst viele Informationen zur Verfügung stellen. Je größer der Fachkräfte-Mangel sei, desto empfängergerechter sollten diese aufbereitet sein.
Wenn man die eigenen Türen öffne und zeigt, was dahinter los ist, schaffe man Offenheit, Transparenz und Vertrauen. Dies entfacht ein Interesse bei Bewerbern und Azubis, so Dajana Hoffmann.
An diesem Punkt entwickeln viele Unternehmen Ängste, dass sich daraufhin niemand melden werde oder Geheimnisse ausgeplaudert werden. Aber dies sei “alles eine Sache der Perspektive und kann wunderbar gehändelt werden, wenn man ein bisschen Strategie hat, wenn man seine Mitarbeiter schult und wenn man vor allen Dingen jemanden hat, der das im Blick behält.”
Zu zeigen, wie es ist, in dem Unternehmen zu arbeiten, ist auch für Vivian Pein der bevorzugte Weg im Social Media Recruiting. Mitarbeiter können portraitiert oder bei ihrem Job begleitet werden, um Einblicke in den Alltag zu geben. Wenn nicht klar ist, warum ein Job so spannend ist oder Spaß macht, solle man eben dies mit seinen Inhalten verdeutlichen. Einen großen Unterschied mache dieses Vorgehen besonders für Handwerksbetriebe, die Probleme haben, Auszubildende zu bekommen.
2. Gib den Mitarbeitern eine Stimme
Im Sinne des Employer Branding empfiehlt Susanne Ullrich, auf Mitarbeiter zu setzen, die vielleicht sowieso schon im Social Web aktiv sind. Es sei oft besser, diese als Sprachrohr zu nutzen, als selber immer wieder neue Aktionen zu starten.
Auch Christian Müller ruft dazu auf:
Gib den Mitarbeitern die Möglichkeit, ihre Stimme zur Geltung kommen zu lassen. Man muss die Leute vorher casten und nicht jeder, der es kann, wird es auch wollen. Das ist ok.”
360 Grad-Foto mit Christian Müller und Sebastian Riehle im Interview auf der re:publica 2017 (Klick auf das Bild und bewege die Maus für einen Rundum-Blick.)
Er betont, dass vorher auch geklärt werden soll, was passiert, wenn derjenige das Unternehmen verlässt und wem dann welches Profil gehört.
Wirklich ehrlich sein heißt ungeschliffen.”
So rät Christian von hochgeschliffenen Azubi-Rap-Videos und Image-Filmen ab. Stattdessen sei eine Art Video-Tagebuch, bei dem der Azubi das Telefon selber in die Hand bekommt, viel interessanter. Dabei können Live-Streams von Treffen und Azubi-Veranstaltungen veröffentlicht werden, in denen auch Kritik geäußert werden darf.
Die Devise lautet, zu dokumentieren, was bereits vorhanden ist und nicht auf Kreativ-Inhalte zu setzen. Natürlich könne das Material je nach Anspruch des Unternehmens noch nachbearbeitet werden, solange dabei die Ehrlichkeit nicht verloren geht.
Auch Claire Oberwinter empfiehlt, Azubis über ihre Aktivitäten selbstständig berichten zu lassen und betont noch mal:
Es sollte nicht alles durch einen Hochglanz-Filter gezogen werden. Das Material kann gern auch etwas roh bleiben.”
Nicole Simon formuliert das ähnlich:
Ich sage gerne, Azubis sind wie kleine Kinder. Die sollte man definitiv spielen lassen. Die sollte man anleiten, aber auch beobachten, an die Hand nehmen und ihnen irgendwann beibringen, dass da die große Welt da draußen wartet.”
Als konkretes Praxis-Beispiel führt Daniela Sprung den Mitarbeiter-Blog der Westfalen AG aus Münster an. Dieser wird ausschließlich von Mitarbeitern geschrieben und lediglich auf Rechtschreibung und Grammatik korrigiert.
Die Personal-Abteilung kann feststellen, dass sich die Bewerbungen seit Bestehen des Blogs signifikant erhöht haben.
Social Recruiting Tipp #3 – Wähle den passenden Kanal
Laut Christian Müller bewerben sich junge Menschen selten über Social Media. Sie seien noch sehr traditionell orientiert und bevorzugen Bewerbungen per Email oder gar mit handschriftlichem Lebenslauf. Dies liege aber teilweise auch an den Unternehmen selber.
So liegt der Rückschluss nahe, dass Social Media Kanäle nicht benötigt werden, weil sich darüber niemand bewirbt. Aber dieser sei nicht richtig, da sich die Interessenten trotzdem auf entsprechenden Kanälen über das Unternehmen informieren.
Für Azubis im deutsch-sprachigen Raum verweist er auf Facebook-Live und Instagram-Stories. Snapchat sei eher für ein englisch-sprachiges Publikum geeignet und Twitter besser auch nur für internationale Unternehmen.
Vor allem kleine Unternehmen sollten nicht versuchen, riesig zu bloggen, weil das zu aufwändig sei. Stattdessen soll für das Social Recruiting auf einen bestehenden Kanal zurückgegriffen werden. In vielen Fällen ist das Facebook. Dieser soll zunächst “ordentlich” bespielt werden, bevor es an neue Kanäle geht. Dabei müsse immer die Zielgruppe im Auge behalten werden:
Wenn ich Profis adressieren will, Führungs- und Fachkräfte auf hohem Level, dann lass uns über LinkedIn und Xing reden, aber nicht über das ganze andere Zeug.”
Christian ergänzt:
Versuche nicht, alle mit einem Kanal zu erschlagen. Das kann maximal Facebook leisten, aber auch nur mit Werbung. Nicht organisch.”
In bezahlter Werbung sieht auch Nicole Simon einen guten Weg, Bewerbungen mit Hilfe von Social Media Marketing zu erhalten. Selbst, wenn man keine interaktiven Inhalte verbreitet, ließen sich spezifische Zielgruppen und Interessen adressieren und man käme zu einem passenden Ergebnis.
Manchmal gestaltet sich die aktive Mitarbeitersuche über Facebook anhand von Stichworten etwas schwierig. In diesem Fall empfiehlt Claire Oberwinter eine Kombination mit Xing. Dort können konkrete Personen gesucht und dann zu Facebook geführt werden, wo man sich als attraktiver Arbeitgeber präsentiert.
Praxis-Tipps von Socialmedia Doktor
Am einfachsten ist es, wenn Du ein verlockendes Job-Angebot für Deine Zielgruppe entwickelst. Dann richtest Du eine Facebook-Seite ein, die das Vertrauen der Besucher gewinnt. Die oben beschriebenen Tipps sind dafür hervorragend geeignet.
Falls Du auf Deiner eigenen Webseite keine einfache Möglichkeit hast, eine hübsche Stellen-Beschreibung zu veröffentlichen, nutze alternativ das Format “Facebook Notiz”. Diesen Beitrag kannst Du in lokalen Job-Gruppen platzieren und schaffst damit gleichzeitig einen guten Verweis auf Deine Facebook-Seite. Bewerben kannst Du diese Beiträge leider nicht.
Beim Einsatz von Werbeanzeigen reicht manchmal schon ein Link oder Foto-Posting, um mit Interessenten in Kontakt zu kommen. Wenn Du Deine Stellen-Beschreibung schöner formatieren und multimedial aufbereiten möchtest, bietet sich das Beitragsformat “Canvas” an. Am Ende kannst Du neben den üblichen Kontakt-Möglichkeiten auch einen Button platzieren, der zur Kurz-Bewerbung in den Messenger Deiner Seite führt.
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Sebastian Riehle
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